Montag, 3. Dezember 2012

Oi!- Cover: Haaranteil unter 3%

Was denkt man sich dabei?

Viele Leute sagen ja, dass München im Vergleich zu anderen deutschen Metropolen wie Berlin, Hamburg oder Assling eher doof, altbacken, langweilig und außerdem viel zu teuer ist. Ohne dies richtig nachprüfen zu können, gebe ich diesen Leuten recht. München lässt sich teilweise nur mit Patriotismus ertragen. Den habe ich gerade nicht zur Hand, also muss ich auf andere Ablenkungen zurück greifen, z.B. Seelennudismus in Gestalt von gebloggtem Allerlei.

Ab und an kann München aber auch recht interessant sein. Besser gesagt: München bietet Phänomene mit denen man sich, hat man nichts besseres zu tun, beschäftigen kann. Dazu gehört zum Beispiel eine Art von Etablissement, welches sich mir erst letztens in den Weg stellt: Die Hair Lounge. Das geschah nämlich so: Ich ging zu Fuß meines Weges und blickte, wie das der Mensch halt manchmal so macht, abwechselnd nach links und nach rechts. Plötzlich, ich weiß nicht mehr genau in  welcher Richtung, stand dort besagter Laden mit der besagten "Hair Lounge"- Aufschrift. Da ich allerdings gerade kein Bedürfnis nach Händen in den Haaren hatte, blickte ich lieber mal in die andere Richtung um dort vielleicht etwas zu sehen, das mehr meinen Gelüsten entsprach. Doch, ach weh, dort war ein Dienstleistungsbetrieb der selben Art; mit der selben Aufschrift "Hair Lounge".

Ja, vielleicht an sich nicht allzu spannend und schon gar nicht weltbewegend. Aber doch erstaunlich und auch aus psychologischer Sicht bemerkenswert. Wie geht man als Geschäftsinhaber mit unübersehbarer Konkurrenz um, die sich parallel des eigenen Ladens breitmacht? Kriegszustand erklären! Das heißt: Immer wenn die Stunde voll ist, fliegen Kämme und Scheren von der einen Straßenseite zur anderen und wer als Passant dumm genug ist, nicht zuhause geblieben zu sein, der wird halt getroffen. Im schlimmsten Falle tödlich. Nach genau einer Minute ist die Schlacht vorbei und man belässt es für 59 Minuten bei hasserfülltem Geschau durch's Geschaufenster. Und dann wenn der große Zeiger wieder auf der Zwölf ist: Bumm! Peng! Padauz!

Die einzigen beiden Betriebe, die ohne solche Gewaltakte nebeneinander konkurrieren können, sind McDonalds und Burger King. Die haben den Vorteil, dass sie Kunden haben, die nicht nach besserem Service oder gar Qualität entscheiden, sondern welche, die sich einfach schnell was in die Visage stopfen wollen. Und da es von diesen Menschen genug gibt, kann man sie sich auch brüderlich teilen. Friede, Freude, Eierwhopper.

Wie auch immer, bei dem Begriff "Hair Lounge" denkt ja jeder normale Mensch erst mal an einen unangenehmen Warteraum, der voll ist mit Menschenhaar, dass sich an der Kleidung festfrisst und eigentlich nur durch das Entzünden der Textilien wieder aus der Welt zu schaffen ist. Da aber ein solches Konzept eher wenig Zustimmung beim Kunden findet, hat man sich entschieden lieber einen auf Friseur zu machen. Nun ja, aber halt loungig. Das heißt hier in der Praxis: Friseursalon Anleihen paaren sich mit der Inneneinrichtung der Leute die "ihre Wohnung nicht einrichten, sondern designen". Selbstverständlich können da die Wände nicht dunkelbraun oder gar bläulich- gelb sein sondern WEIß! Die Sterilität der Zahnarztpraxis ist angesagter denn je. Da gibt es auch, glaube ich zumindest, ein Sushilokal in der Münchner Fußgängerzone, das so extrem klinisch wirkt, dass selbst der Stammklinikbesucher sagt: "Jetzt ist aber mal gut." Dazu mit Glück aber ein Andermal.

Was auf jeden Fall klar sein sollte: In eine Hair Lounge geht man nicht um sich die Haare schneiden, sondern um sich eine Frisur machen zu lassen. Zur Erklärung für Haaranfänger: Haare schneiden=Haare wegmachen tun
                       Frisur machen= Haare mit System wegmachen tun

Ich glaube ich habe zur Zeit so was ähnliches wie eine Frisur. Oben länger als an den Seiten. Das haben viele zur Zeit so, manche mit mehr, manche mit weniger Seiten. Egal. Jedenfalls musste ich mir im Zusammenhang mit einer der beiden Haarhäuser (wir wollen sie mal gleich behandeln, wenn wir nicht die Qualität des Services kennen), folgende Situation ausdenken, die sich mit hundertprozentiger Sicherheit schon mal genau so zugetragen hat in einer der beiden Läden:

Ein beleibter Mann, etwa Ende Vierzig, betritt den Laden und wird, da heute keiner in der Lounge herumhängen will, gleich von einem leicht überpflegten Friseurlehrling lächelnd zu einem Friseurstuhl begleitet. Der fragt natürlich grinsend: "Was darf ich Ihnen denn gutes tun?"
"Joa, ein Weißbier und an Schweinsbraten. HAHAHAHAHA"
Darauf muss der Azubi natürlich sofort daran denken, was er bisher gelernt hat: Einfach mitlachen, dann gibt's Trinkgeld und der Kerl kommt wieder. Also werden aus vollem Herzen ein paar groteske Laute aus dem Hals gepresst, welche sich entfernt wie Lacher anhören. Und schon geht die lustige Konversation wie folgt weiter:
"Joa, aber jetz' mal im Ernst. Ich hätt' gern so eine Afroamerikanerfrisur."
"Wie bitte?"
"Ja, eine A-fro-a-mer-i-ka-ner-fri-sur"
"Davon hab ich ja noch nie gehört."
"Wie bitte? Ich dachte sie sind so ein Haarprofi. Mannomann, des was halt
 die in Afroamerika auf'm Kopf haben"
"..."
"Mannomannomannomann, so wie die eine auf dem Cover von Maggot Brain."
"Margot wer?"
"Maggot Brain! Funkadelic! George Clinton! Musik!"
"Ja, tut mir leid, aber..."
"Das gibt's doch nicht! Da will einer Friseur werden und weiß nicht mal wie die funkadelische Frisur aussieht. Aber wartens, ich hab ja ein Bild von der CD dabei."
Ja, zum Glück gibt es heutzutage die Bildersuche von Google und Computer, die das Herunterladen von Bildern erlauben und Drucker, die diese Dateien dann auf Papier bannen. So konnte der gute Mann das Cover des Albums auf einer Din A4- Seite platzieren, um es dem überfordertem Jüngling zu zeigen.
"Ach, einen Afro meinen sie!"
"Joa, so sag ich's doch >grummel, grummel<"
"Das tut mir wirklich leid, aber das kann ich bei ihnen unmöglich machen"
"WAS?! Wieso?! Erst red' ich mich um Kopf und Kragen und jetz' des! Etwa weil ich eine Glatze habe?"
"Öhm...ja"
"Un-ver-schämt-heit. Erst diskriminiert man die Afroamerikaner, weil sie andere Haut und andere Frisuren haben und jetzt macht man genau das Selbe mit den Afroamerikanerfrisursympathisanten!! (so flüssig, wie das Wort hier steht, kommt es natürlich nicht heraus, da man sich in Rage in der Regel schwer damit tut, lange Wörter richtig auszusprechen) Dabei ist das alles ein Schmarrn! Weil die Weißen ham' ja die Afroamerikaner von ihrem Kontinent verschleppt! Merken sie sich das sie Kuckucksklaner!"
"Jetzt reicht es mir! Raus mit Ihnen, sie verrückter Unhold!"
Dann wird unter Flüchen die Türe zu geknallt und der Lehrling darf heute mal auf den Schrecken eine Zigarettenpause mehr machen.

Anstatt jetzt aber etwas über Leute zu erzählen, die dunkelhäutige Menschen aus Prinzip als Afroamerikaner bezeichnen, will ich doch eher die Frage in den Raum werfen, was sich die Swans beim Cover zu ihrem aktuellen Album The Seer gedacht haben. Dieser Wookie/Werwolf/Hirtenhund- Verschnitt geht nun eigentlich gar nicht. Vor allem bei einer Band die bisher vor allem durch eher minimalistische Covergestaltung aufgefallen ist. Wollte ich nur mal gesagt haben. Das Album selbst ist allerdings mehr als grandios. Wollte ich auch nur mal gesagt haben.

Was bleibt nun am Schluß? Die Namen zweier Cover, die die Hälfte der Leser googelt, zwei Friseursalons in München, die sich weiterhin mit Scheren bewerfen und die Frage warum nie jemand Afrodeutscher, Afrobelgier oder Afrofranzose sagt. Nicht das dies nötig wäre, aber an sich ist das schon mal ein bisschen Grübeln wert.